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Restauration

1965er VOX AC50 MKIII

 

Dieser 1965er VOX AC50 kam über ebay als "nicht funktionsfähig / defekt" zu uns. Im großen und ganzen unverbastellt, aber in mitgenommenem Zustand. Und aus irgend einem Grund war der Ausgangsübertrager abhanden gekommen...

Altersbestimmung

als Erstes stand die genaue Bestimmung des Alters auf der "To Do" Liste.

 

Im ersten Moment ist man versucht die eingebrannte Bleistiftbeschriftung "23.1.69" in der Nähe des Ausgangsübertragers zur Datierung heranzuziehen. Dies stellt sich jedoch schnell als "unwahrscheinlich" heraus, da AC50's nur bis 1967 unter dem JMI-Label produziert wurden und spätere Versionen zudem über einen anderen Bauteilemix verfügen.

 

Interessanterweise befindet sich eine identische Beschriftung bei den Kathodenwiderständen der Endstufenröhren, die offensichtlich in der Vergangenheit von 47 Ohm auf 10 Ohm verändert wurden. Vermutlich am 23.1.69... ;-)
 

Unser AC50 muss also deutlich vor 1969 gebaut worden sein, und es handelt sich hier wirklich um ein sehr interessantes Exemplar. VOX hat zum Jahr 1965 die Produktion des AC50 von der MKII auf die MKIII Version umgestellt, welche sich hauptsächlich dadurch unterschied, dass anstatt der GZ34 Gleichrichterröhre ein Diodengleichrichter mit Mullard-Dioden verwendet wurde. Gleichzeitig wurde ein etwas aufwändigeres Bias-System eingeführt mit dem für beide Endstufenröhren der Ruhestrom separat eingestellt werden kann.

In unserem Amp finden wir zwar schon die Gleichrichterdioden und die neue Bias-Schaltung, allerdings verfügt das Chassis noch über den Ausschnitt für die GZ34 Gleichrichterröhre. Es muss sich also um einen sehr frühen AC50 MKIII aus 1965 handeln bei welchem noch vorhandene Chassis der MKII Version aufgebraucht wurden.

Gehäuse

Zaubermittel und was ihr "NIE" machen solltet.

 

Das Gehäuse an sich war in einem brauchbaren Zustand, allerdings war das alte Tolex stark verschmutzt und es hatte sich auch jemand mit einem "Bass Objects" Schriftzug auf der Rückseite verewigt.

Nach viel Ausprobieren hat sich für mich Meguiars Convertible Top Cleaner als Wunderwaffe für verlebten Tolex herausgestellt. Dies hat sich auch beim AC50 bewährt. Aufsprühen... kurz einwirken lassen... mit einer nicht zu weichen Bürste ordentlich schrubben... mit einem Frotteetuch abreiben. Eh voilà!

Das Entfernen des extrem hartnäckigen und eingetrocknetem Schriftzuges auf der Rückseite erwies sich aber als wahre Sisyphusarbeit bei der die Farbe mit einer Kratznadel Stück für Stück entfernt werden musste. Leider hat dies auch den Tolex in Mitleidenschaft gezogen und man sollte sich wirklich überlegen ob man solche alte Beschriftungen tatsächlich entfernen möchte oder ob es nicht besser ist "damit zu leben".

Netzteil & Endstufe

was machen wir nur mit dem fehlenden "Brimistor"?

 

An einem Vintage Amp gilt es so viel wie möglich des originalen Amps zu erhalten.

Bei sicherheitsrelevanten Bauelementen darf man aber keine Kompromisse eingehen...
Das Netzteil verfügte hauptsächlich über alte "Hunts" Kondensatoren die erstaunlicherweise noch über gute Messwerte in Punkto Kapazität und ESR verfügten. Trotzdem wurden diese Kondensatoren gegen neue JJ-Typen getauscht.

Die komplette BIAS-Schaltung für die Endstufenröhren wurde mit neuen Kondensatoren von F&T aufgefrischt.

Die Grid-Stopper, Grid-Leak und Schirmgitter- Widerstände der Endstufe wurden durch moderne Matallschichtwiderstände mit überdimensionierter Leistung ersetzt die über eine hohe Hitzebeständigkeit verfügen.

Das Versagen einer dieser Komponenten würde zu einem schweren Schaden des Verstärkers führen bei dem Netztrafo u/o Ausgangsübertrager u/o Endstufenröhren zerstört werden können. Originalzustand hin- oder her-, an dieser Stelle macht man besser keine Experimente mit Bauteilen die mehr als 50 Jahre alt sind.

Die 10 Ohm Kathodenwiderstände an den EL34 (die jemand laut der Beschriftung im Chassis am 23.1.1969 anstatt der vorgesehenen 47 Ohm installiert hatte) wurden belassen, da sie das Messen des Ruhestroms vereinfachen und noch "Spot On" waren in Punkto ihrer Werte..

Der "Brimistor"... ein Tip für alle die einen AC50 MKIII restaurieren:
Das schöne an der zuvor verwendeten GZ34 Gleichrichterröhre ist, dass sie langsam "hochfährt". D.h. die restlichen Röhren haben genug Zeit zu heizen und leitend zu werden. Deshalb kann man auf einen Standby-Switch verzichten.

Bei der Diodengleichrichtung des MKIII ist die Hochspannung sofort da, noch bevor die restlichen Röhren leiten. Dies führt dazu, dass die Hochspannung beim Einschalten weit über 500V schießt und sich erst nach dem Aufheizen der Röhren auf ca. 450V einpegelt. Dies ist sehr gefährlich für die Netzteilelkos die im Normalfall über eine Spannungsfestigkeit von 500V verfügen!

Da VOX offensichtlich nicht das Chassis und die Frontplatte mit einem Standby-Switch verändern wollte wurde ein sogenannter "Brimistor" ins Netzteil integriert. Ein Brimistor agiert in diesem Fall als eine Art automatischer Standby-Schalter bei dem die Hochspannung erst zeitverzögert, nach Aufheizen des internen Heizelements, durchgeschaltet wird.

Natürlich war in diesem AC50 der Brimistor nicht mehr vorhanden und diese Bauteile sind heutzutage auch quasi nicht mehr erhältlich. Ein guter Trick damit der AC50 beim Einschalten trotzdem nicht die Netzteilelkos "überfährt" ist es direkt nach den Gleichrichterdioden einen Lastwiderstand nach Masse einzufügen. Hiermit sieht der Trafo auch mit noch ungeheizten Röhren eine gewisse Last und die B+ Spannung schießt nicht unkontrolliert nach oben. Das Einfügen eines 100 kOhm / 5W Widerstandes hat dafür gesorgt dass die B+ Spannung direkt nach dem Einschalten nicht höher wie 475V liegt und somit innerhalb der Spannungsfestigkeit der Netzteil-Elkos bleibt. Achtung: Im laufenden Betrieb werden in diesem Widerstand 2W verbraten. Er sollte also so platziert werden, dass er genug Kühlung bekommt und keine anderen Bauteile aufheizt.

Ausgangsübertrager

unser "Sorgenkind".

 

Der originale Ausgangsübertrager des AC50 war sehr hoch und verfügte über sehr viel Metal (= Laminierunen). Dies machte den Amp speziell auch für die Bass-Anwendung extrem attraktiv, da der AC50 auch bei tiefen Frequenzen erst sehr spät in die Sättigung geht. Sehr schade, dass dieser Übertrager im vorliegenden Amp fehlte.

Leider gibt es heutzutage quasi keine Replacements mehr für diesen Übertrager.
Allein die Firma Mercury Magnetics bietet noch Nachbildungen des Original-Übertragers an, allerdings in Deutschland zu einem Preis der den Kaufpreis dieses Amps aufwiegt.

Im AC50 kam also ein Ausgangsübertrager zum Einsatz der vielen gängigen Amps mit 2xEL34 entspricht, z.B. einem Marshall 2204. Dieser funktioniert und klingt hervorragend und es können Speaker-Impedanzen von 4-16 Ohm abgebildet werden. Möchte man den AC50 gezielt als Bass-Verstärker einsetzen sollte man sich überlegen in das Replacement von Mercury Magnetics zu investieren um die maximale Performance im Bassbereich zu erreichen.

Vorstufe

einmal "renovieren"... und "war das wirklich so gewollt?"

 

In der Vorstufe war der Ansatz soviel wie möglich der originalen Schaltung zu erhalten und nur fehlerhafte Komponenten zu tauschen bzw. Unzulänglichkeiten Original-Schaltung zu korrigieren.

Alle Kathoden-Elkos verfügten trotz ihres Alters noch über gute Werte und wurden in der Schaltung belassen. Dies ist zwar ein Risiko, aber hier handelt es sich nicht um sicherheitskritische Bauteile.

Ein alter Kohleschicht Anoden-Widerstand war "Noisy" und wurde gegen eine Metallschicht-Type getauscht.

Die Eingangsbuchsen waren stark korrodiert und haben im ausgesteckten Zustand nicht mehr nach Masse kurzgeschlossen. Diese wurden komplett erneuert.

Der 500pF Lemco Koppelkondensator des "Brilliant-Channels" wurde letztendlich gegen eine NOS Mullard Mustard Type mit 2.2nF getauscht. 500pF sind an dieser Stelle einfach zu niedrig und beschneiden  zu viele Bässe um den Kanal sinnvoll mit Gitarre benutzen zu können.

Das Wiring der Klangregelung war ab Werk umgekehrt zum normalen Standard. Die Treble- und Bass- Regler hatten bei "0" ihre Maximalstellung und bei "10" ihre Minimalstellung. Der Grund hierfür bleibt für mich schleierhaft und unerklärlich, da aufgrund der linearen 500k Potis diese auch genausogut umgekehrt beschaltet werden können. Ein Vergleich mit Bildern anderer AC50's im Internet hat gezeigt dass die "umgekehrte" Beschaltung wohl keine Ausnahme war, sondern eher die Regel.

 

Die Beschaltung wurde also korrigiert zu einer Regelweiße die "normale Menschen" kennen. "0" = Minimum.... "10"=Maximum.

Und da nun die Potis eh schon abgelötet waren habe ich gleich die Gelegenheit genutzt besonders verschmutzte Exemplare auszubauen, zu öffnen, und grundlegend von innen zu reinigen. Dies hat 2 Original-Potis (die auch nach der üblichen "DeoxIT"-Kur noch Macken zeigten) davor bewahrt in die "Box of Shame" zu wandern und ersetzt zu werden.

Röhren

Puzzlen und Tetris.

 

Im AC50 befanden sich 2 als "Ultron" gelabelte EL34 sowie in der Vorstufe 2 Mullard ECC83, 1 Raytheon ECC83, sowie 1 ECC82 wo der Hersteller nicht mehr erkennbar war.

Eine der beiden Ultron EL34 war über die Jahre schwach geworden. Somit wurden beide Endstufenröhren durch ein gut gematchtes Paar von NOS Siemens EL34 getauscht die mit 40mA Ruhestrom auf eine Plate Dissipation von ca. 17,5W eingestellt wurden. Hiermit liegen wir ziemlich genau auf den 70% der maximalen Plate Dissipation die für EL34s in Push-Pull mit Fixed Bias vorgesehen ist.

 

Vorsicht übrigens bei der Höhe der Röhren! Viele neue EL34 sind zu hoch und passen nicht in das eng bemessene Gehäuse.

 

Vielen Dank an dieser Stelle auch noch an Stephan Mayer vom Tube Amp Doctor in Worms für den Austausch bezüglich des VOX AC50. Wenn man nicht gerade (so wie ich) ein NOS-Paar Siemens EL34 zur Hand hat, sollte dies hier ein gutes Replacement sein welches auch von der Höhe her in den AC50 passt: TAD EL34L- Cz

Beide Mullards, sowie die ungelabelte ECC82 waren noch in gutem Zustand, hatten prima Messwerte und finden auch in Zukunft ihre Heimat im AC50.

Die Raytheon ECC83 (12AX7) verfügte leider über sehr schlechte Messwerte und wurde gegen eine neue TAD ECC83 mit sehr gut gematchten Systemen als Phase-Inverter Röhre getauscht.

Fazit

underdog im Schatten des AC30?

 

Der VOX AC50 ist definitiv eine "Legende" welche versucht klassische Sounds des AC30 in eine höhere Leistungsklasse zu transportieren. Dies macht er hervorragend und lässt seine Muskeln mit sehr hoher Anodenspannung und 2x EL34 spielen, auch wenn er damit nicht ganz die Feinzeichnung eines guten AC30 erreicht.

Dinge wie Vibrato/Tremolo wurden entfernt um einen "Straight-Forward" 50W Verstärker zu generieren. Dies tut dem AC50 sehr gut.

Ein toller 50W/EL34 Amp bei dem im Originalzustand leider nur der "Normal" Channel richtig Spaß macht.

Mit den kleinen (oben beschriebenen) Modifikationen wird auch der Brillant-Channel zu einer echten Waffe und man ist hin- und hergerissen in welchen Kanal man sich einstöpseln möchte.

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