Ampservice
1967er Fender Deluxe Amp
So ein Schmuckstück bekommt man definitiv nicht jeden Tag auf die Werkbank!
Wenn auch der große Bruder "Deluxe Reverb" aufgrund seines integrierten Federhalls deutlich verbreiteter und beliebter ist, so ist der "Deluxe" dennoch ein Stück Ampgeschichte, der verspricht, einen der beliebtesten Ampsounds aller Zeiten in sich zu tragen.
Ebenso erstaunlich war die Antwort des Kunden auf die Frage: "Was hat er denn, der Arme?"
Die Antwort war nämlich: "Nichts. Läuft prima. Aber es sollte mal ein professioneller Checkup durchgeführt werden, ob noch alles in Ordnung ist oder ob etwas überholt werden muss."
Wow, einen so verantwortungsvollen Umgang mit einem raren Stück Ampgeschichte erleben wir selten. Oft werden die alten Kisten einfach sorglos so lange gespielt, bis nix mehr rauskommt oder Rauch aufsteigt. Dann ist aber oft schon mehr Schaden entstanden, als notwendig. Mario verschafft uns einen Überblick über den Amp:
Optischer Zustand
Ist das ein Re-Issue?
Tatsächlich war mein erster Gedanke: "Ist das ein Vintage-Amp oder ein Re-Issue?". So gut steht der Amp da. Den optischen Zustand kann man getrost als "Mint-Condition" bezeichnen: Keinerlei Beschädigungen des Tolex und eine so charmante Patina wie es eben nur 56 Jahre würdevolles Altern hinkriegen.
Auch das Front- und Backpanel sind makellos. Keine verschlissenen oder getauschten Potiknöpfe. Die komplette Hardware ist vollständig und original. Besser geht es nicht!
Lediglich der Tolex an einer der hinteren Verstrebungen hat sich im Lauf der Zeit gelöst und sollte im Zuge des Service wieder verklebt werden.
Altersbestimmung
3 Wege zur Datierung ohne Schraubenzieher
Das Datieren von Fender Amps ist Gott sei Dank vergleichsweise einfach, da Fender sehr konsequent war mit Beschriftungen und diese auch sehr gut dokumentiert sind. Hierzu muss man die Amps nicht mal zerlegen.
Möglichkeit 1: Tube Chart
In jedem Fender Amp befindet sich das sogenannte "Tube Chart" welches verrät, was für eine Schaltungsvariante in dem Amp verbaut wurde und welche Röhrenbestückung vorgesehen ist. Zusätzlich findet man auf dem Tube Chart zwei aufgestempelte Buchstaben. Der erste gibt hier das Fertigungsjahr an, der zweite den Monat. Auch wenn das Tube Chart im unteren Bereich schon etwas mitgenommen ist, erkennen wir "QA". Dies bedeutet Januar 1967. Hier findet ihr die Aufschlüsselung der Buchstabencodes.
Möglichkeit 2: Chassis-Seriennummer
Falls (wie in vielen alten Fender Amps) das Tube Chart gänzlich fehlt, lohnt sich ein Blick auf die Seriennummer. Diese ist auf der Rückseite des Amps ins Chassis eingeprägt und lautet bei unserem Exemplar "A06259". Ein Blick in eine Seriennummerübersicht alter Fender Amps verrät, dass ein Blackface Deluxe mit unserer Seriennummer dem Jahr 1967 zuzuordnen ist.
Möglichkeit 3: EIA Codes
Da man eh bei jedem Vintage Fender Amp checken sollte, ob noch die originalen Trafos drin sind, lohnt es sich hierbei einen Blick auf die eingestempelte 6-stellige EIA Nummer zu werfen. EIA steht für "Electronic Industries Association". Diese hat in den USA der 1960er jedem Hersteller eine 3-stellige Nummer zugewiesen. Zudem wurde ein System mit drei weiteren Buchstaben verwendet, mit dem der Hersteller die Herstellungswoche und das Herstellungsjahr codieren konnte. Ein Blick auf den Ausgangsübertrager beschert uns die Nummer 606-646, die Siebdrossel spuckt die 606-626 aus. 606 steht für den Hersteller "Schuhmacher" (das war noch bevor er seine Formel1 Karriere gestartet hat ;-) ), die Trafos wurden in der 46. und 26. Woche des Jahres 1966 gewickelt. Das passt also zur Angabe Jan. 1967 auf dem Tube Chart. Auch wenn die Siebdrossel offensichtlich sechs Monate im Regal rumgegammelt hat.
Ein Blick auf den Speaker verrät uns übrigens die Nummer 465-650, und erzählt damit, dass er von der Firma Oxford stammt und in Woche 50 im Jahr 1966 gebaut wurde. Hier findet ihr übrigens eine gute Übersicht gängiger EIA Codes.
Für alle, die es ganz genau wissen wollen, wann ein Amp gebaut wurde, hier ein Tipp:
Im Inneren des Chassis ist meist ein Datum eingestempelt mit dem exakten Herstellungsdatum in Klartext. Es scheint unser Deluxe hat am 16.01.67 das Licht der Welt erblickt. Leider ist dieser Stempel aber bei vielen Exemplaren im Laufe der Jahre eifrigen Reinigungsversuchen mit aggressiven Mitteln zum Opfer gefallen.
Ok... hierfür braucht man dann doch nen Schraubenzieher.
Erster Soundcheck
Holy shit!
Wir können es nicht oft genug sagen: Einen alten Amp in "unbekanntem" Zustand bitte niemals einfach anstecken, um zu schauen ob er noch tut. Da können schlimme Dinge passieren! Der Deluxe wurde uns aber vom Besitzer in bekanntermaßen funktionsfähigem Zustand übergeben, da er ihn selbst regelmäßig spielt. Wir können die Kiste also ohne Reue einfach mal testen.
Expectation Management:
Wir erwarten bei dem Amp zwar, dass er prinzipiell noch ganz gut tut, rechnen aber mit etwas Netzbrumm, hörbarem Rauschen, und vielleicht auch ein wenig "Kruspeln" und sowie dem einen oder anderen "Pop-Geräusch".
Vibrato Channel:
Also beginnen wir mal mit dem Vibrato-Channel. Einschalten... warten... aus dem Standby... Volume auf "5". Hmmm, tut die Kiste überhaupt? Man hört nix. Volume auf "10"... ein leises Rauschen ist zu hören. Gitarre eingesteckt: Holy shit, das Ding TUT!
Kurz gesagt: Das ist der nebengeräuschärmste Vintage Amp, der uns je untergekommen ist. Kein Brumm, sehr wenig Rauschen... keine anderen Geräusche. Und der Amp klingt phänomenal! Tight, stabil, so wie man sich einen hervorragenden "Deluxe" wünscht.
Was sagt uns das?
1. Die Netzteilkondensatoren scheinen noch gut zu filtern.
2. Die Endstufenröhren scheinen noch sehr gut gematcht zu sein.
3. Es scheinen keine der alten Kohlepress-Widerstände "noisy" geworden zu sein.
4. Die Koppelkondensatoren scheinen noch nicht "leaky" zu sein, sonst würden die Arbeitspunkte der Röhren nicht stimmen und der Amp würde "dirty" klingen.
Lediglich das Vibrato verursacht das bekannte "Ticken", welches man aus vielen alten Fender Amps kennt. Genauer gesagt ist es sogar fast ein "Zwitschern", wie von einem Vögelchen. Dieses verschwindet auch nicht bei "Intensity" auf "0". Dies war auch der einzige "Fehler" der vom Besitzer berichtet wurde, mit der Bitte dies zu fixen. Jap, das geht!
Normal Channel:
Der Normal-Channel hat im Vergleich zum Vibrato Channel etwas mehr Rauschen. Auch tieffrequenter und etwas moduliert. Dies könnte an etwas "noisy" gewordenen Kohlepress-Widerständen liegen, dieser Klang ist hierfür typisch. Um die zuständige Vorstufenröhre auszuschließen haben wir diese testweise getauscht ohne Veränderung beim Rauschen. Letztendlich ist es aber "Jammern auf sehr hohem Niveau" und wir müssen mit dem Besitzer besprechen, ob wir hier tatsächlich "auf die Jagd" gehen sollen. Man muss das Volume tatsächlich auf 10 drehen, damit das Rauschen deutlich hörbar ist. Bei praxistauglichen Volume-Settings von 5-6 ist das Rauschen quasi nicht wahrnehmbar.
Potis & Klinkenbuchsen:
Die Potis laufen einigermaßen still, könnten aber eine Reinigung mit DeoxIT F5 vertragen. Kein großer Act. Jedenfalls findet sich kein Poti, welches große Probleme macht. Top!
Die Klinkenbuchsen funktionieren noch gut, allerdings lässt sich feststellen, dass die "Schließer"-Kontakte (wenn kein Kabel angeschlossen ist) manchmal nicht mehr richtig zumachen. Hier sollten beim Amp-Service die Kontakte gereinigt werden. Das ist völlig normal bei einem 56 Jahre altem Amp. Keine große Sache.
Speaker:
Der Oxford Speaker im Deluxe macht noch einen sehr guten Job. Laut des Besitzers wurde er schon mal re-coned, was bei alten, ausgelutschten Speakern ein cleverer Schachzug ist. Auffällig war, dass bei einer tiefen, ausklingenden Note (z.B. tiefes E auf der Gitarre) leise, anhaltende Verzerrungen zu hören waren. Hier sollten wir genauer checken, ob der Speaker etwas zu viel "Rub & Buzz" hat (Schwingspule reibt am Magnettopf) oder ob einfach etwas mechanisch mitschwingt.
Elektrischer Zustand
Wenn Sie sich dann bitte mal frei machen würden...
Bisher gibt es eigentlich noch keinen Grund warum der 67er Deluxe bei uns im Tube Workshop sein sollte. Abgesehen von dem tickenden Tremolo gibt es eigentlich keinen wirklichen "Fehler" und der Amp klingt überragend.
Aber es geht hier ja auch nicht darum, ein massives Problem zu beheben, sondern dafür zu sorgen, dass der Amp auch noch die nächsten 20 Jahre so gut läuft.
Dann muss sich der kleine Deluxe also mal "nackig" machen und wir schauen, was wir "unter der Haube" so finden.
Elektrischer Zustand I
Das Röhrenset
In dem Amp befinden sich tatsächlich noch zwei alte 6V6 von RCA. Wenn diese noch in gutem Zustand sind (und das scheinen sie aufgrund der wenigen Nebengeräusche noch zu sein), ist das der "Holy Grail" für einen Deluxe. Besser geht's nicht. Auf der GZ34 Gleichrichterröhre ist der Hersteller nicht mehr lesbar, ebensowenig auf der 12AT7 im Phase Inverter und der 12AX7 des Tremolo. Allerdings kann man auf der GZ34 und der 12AT7 noch "Made in Britain" erahnen und auf der 12AX7 findet sich ein "USA". Da die Zeiten, in denen in UK und USA noch Röhren hergestellt wurden, bekanntlich lange vorbei sind, handelt es sich hier zwar vermutlich nicht um die originalen Röhren, aber trotzdem um welche aus der "Goldenen Zeit".
In der Vorstufe finden sich zwei 12AX7WC von Sovtek. Nix zu meckern, gute Wahl.
Auch wenn der Amp mit diesem Röhrenset gut zu spielen scheint, würden wir dennoch empfehlen, die Kennlinien und Messwerte auf unserem eTracer Messsystem zu überprüfen.
Elektrischer Zustand II
Röhrensockel
Aus irgendeinem Grund wurden in dem Deluxe alle originalen Röhrensockel ersetzt gegen keramische Typen. Warum dies geschehen ist, bleibt ein Rätsel. Der Rest des Amps ist in hervorragendem Zustand, auch zeigt das Chassis wenig Korrosion. D. h. der Amp war nicht längerer Zeit hoher Luftfeuchtigkeit ausgesetzt. Warum also scheinbar ausgerechnet die Röhrensockel hinüber waren, erschließt sich uns nicht.
Es ist etwas schade, dass hier keine hochwertigen Typen von Belton mit sehr gut zupackenden Kontakten und geringen mechanischen Toleranzen verwendet wurden. Die keramischen Röhrensockel sind leider von den Toleranzen her so großzügig ausgelegt, dass man z. B. ne Endstufenröhre auch mit etwas Kraft in ner falschen Position reindrücken kann, was eigentlich vom Codierpin verhindert werden sollte. Obacht also!
Ansonsten sind die getauschten Röhrensockel in sehr gutem Zustand, und wurden auch einigermaßen vernünftig verdrahtet, ohne dass hier ein größeres Massaker angerichtet wurde.
Elektrischer Zustand III
Netzanschluss & Netztrafo
Der Netztrafo wurde in der Vergangenheit gegen einen Hammond 290BEX getauscht. Nicht weil der originale Trafo defekt war, sondern einfach aus dem Grund weil dieser Amp ursprünglich für 115V (USA) vorgesehen war und der Besitzer es leid war, einen Step-Down Transformer zu verwenden. Absolut nachvollziehbar. Der originale Netztrafo ist noch vorhanden (was Sammler glücklich macht), das 230V Replacement von Hammond ist aber eine sehr gute Wahl. In diesem Zuge wurde auch ein 3poliges Netzkabel mit Schutzleiter nachgerüstet. Sehr gut.
Nicht ganz einverstanden sind wir mit der Installation des neuen Netztrafos und des Netzanschlusses. Dieser wurde 1:1 gegen den alten Trafo getauscht, ohne zu berücksichtigen, dass sich die elektrischen Sicherheitsrichtlinien seit den 1960er Jahren weiterentwickelt haben.
Es ist nach wie vor der legendäre "Death Cap" in der Schaltung.
Dieser stammt aus der Zeit, wo es noch keine getrennte "Erdung" gab. Der "Death Cap" kann bei der Netzzuleitung zwischen zwischen L und N hin- und hergeschaltet werden und führt direkt aufs Gehäuse. Je nach Umgebung war er damit in der Lage in der einen oder anderen Position hochfrequente Netzstörungen zu unterdrücken.
Problem:
Falls der "Death Cap" niederohmig wird, oder sogar einen Kurzschluss macht, kann es vorkommen, dass die Netzspannung am Gehäuse des Amps anliegt. Das wollen wir nicht! Ok, aufmerksame Leser sagen jetzt: "Aber Moment, es wurde doch ein Schutzleiteranschluss nachgerüstet, da fliegt doch dann der FI im Haus, wenn das passiert!". Ja, richtig. Aber erstens möchte ich persönlich meine Gesundheit nicht einer Hauselektrik anvertrauen und zweitens fliegt der FI vermutlich erst bei einem harten Kurzschluss des Death Cap und noch nicht wenn dieser niederohmig wird.
In der heutigen Zeit (in der es eine Erdung gibt, die mit dem Gehäuse verbunden ist) ist dieser Kondensator einfach überhaupt nicht mehr sinnvoll und sollte aus Sicherheitsgründen aus der Schaltung entfernt werden.
Weitere "Issues":
In unserem 67er Deluxe wurde der originale Netztrafo gegen einen 230V-Trafo ersetzt, ohne die Verkabelung den aktuell gängigen Sicherheitsstandards anzupassen. D. h. der (gut gemeinte) 115V Outlet von Fender ist nach wie vor in Betrieb mit 230V - allerdings gibt es keine Geräte mit USA-Stecker, die 230V vertragen. Zudem hat dieses Outlet keine Erdung. Unserer Meinung nach sollte es stillgelegt werden.
Weiterhin wurde die originale Fender-Verkabelung beibehalten, bei der die Netzsicherung im Nulleiter der Netzspannung liegt, was nicht mehr aktuell ist. Sowohl Sicherung als auch der Netzschalter sollten auf dem heißen Leiter installiert sein und zwar in genau dieser Reihenfolge. All dies hat zwar keine klanglichen Auswirkungen und ist ehrlich gesagt auch nicht wirklich "unsicher", aber wir würden trotzdem dringend empfehlen die Netz-Verkabelung auf die aktuellen Sicherheitsstandards zu modifizieren.
"Schöner Wohnen"?
Die Installation des Hammond 230V Trafos wurde zwar technisch solide durchgeführt und funktioniert einwandfrei, allerdings wurde dies eher "pragmatisch" erledigt. Zusammengehörige Leitungen können auch verdrillt werden, um Nebengeräusche maximal zu unterdrücken und ein aufgeräumteres Bild zu ergeben. Ob dies so belassen werden soll oder "aufgeräumt" werden soll, muss der Besitzer entscheiden. Letztendlich ist es tatsächlich reine Ästhetik.
Elektrischer Zustand IV
Netzteil-Kondensatoren
Wir hätten aufgrund der geringen Nebengeräusche ne Kiste Bier verwettet, dass an diesem Amp schon mal ein Cap-Job durchgeführt wurde. So ist es aber nicht! Nachdem ich das "Doghouse" entfernt habe, erwarten mich vier originale Mallory 16uF/450V Elkos, die freudig "Hallo Mario" rufen.
Da bin ich jetzt baff. Tatsächliche sehen die Teile aus wie am ersten Tag und zeigen noch keinerlei Spuren von austretendem Elektrolyt oder "Buldging". Ein kurzer Check des AC-Ripple am ersten Filter-Node zeigt auch mit 5V AC einen durchaus typischen Wert. Die 56 Jahre alten Elkos scheinen also noch prima zu funktionieren.
Dilemma:
Und da ist es wieder, das alte Dilemma bei Vintage-Amps und ihren Elkos: Tauschen oder nicht tauschen? Auf der einen Seite kann man sagen: "Wieso tauschen, wenn die alten Mallorys noch in Ordnung sind?". Auf der anderen Seite ist es einfach so, das Elektrolyt-Kondensatoren Bauteile sind, die nur für eine endliche Lebensdauer designt sind. Das sind in der Regel fünfzehn bis zwanzig Jahre. Ok, bei guten Elkos und wenig Betrieb vielleicht auch mal dreißig Jahre. Aber mit 56 Jahren sind wir schon deutlich über dem "Mindesthaltbarkeitsdatum".
Es ist so ein wenig wie mit Joghurt. Den kann man meist auch noch nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums essen, sofern das Siegel nicht beschädigt ist und er im Kühlschrank stand. Aufmachen, anschauen, dran riechen, probieren... wenn nix auffällig ist, ist der Joghurt noch ok. Das macht man noch, wenn er 2 Wochen abgelaufen ist... vielleicht macht man das auch noch, wenn er 2 Monate abgelaufen ist. Wann aber ist der Punkt gekommen, wo man den Joghurt lieber vorsichtshalber entsorgt, anstatt ihn doch noch zu essen, auch wenn er ok zu sein scheint? Nach zwei Jahren über Haltbarkeitsdatum? Das muss jeder selbst wissen.
Aber eigentlich geht es nicht um Joghurt, sondern um Kondensatoren. Was ich sagen möchte: Es gibt einen Punkt, an dem man alte Elkos lieber tauscht, auch wenn sie noch gut zu funktionieren scheinen. Einfach aus dem Grund um "safe" zu sein. Ob dieser Punkt erreicht ist, muss am Ende des Tages der Besitzer entscheiden. Rein technisch funktionieren die Netzteilelkos unseres Deluxe aktuell noch tadellos.
"Was würdest Du empfehlen?"
... ist natürlich die Frage, die uns vom Besitzer des Amps direkt gestellt werden wird. Zurecht, der Amp ist ja schließlich bei uns, um von nem Experten geprüft zu werden. Um es mit den legendären Worten von Dave Friedman aus Tone-Talk zu sagen: "It depends!"
Wenn der Amp noch in absolutem Originalzustand wäre und nur gelegentlich zu Hause bei geringer Lautstärke gespielt wird, würde ich sagen: "Lass die Elkos noch drin. Sie scheinen noch gut zu funktionieren und in diesem Zustand hat der Amp den maximalen Sammlerwert. Achte aber darauf, ob sich Geräusche wie vermehrtes Brummen oder sporadische Knack- und Popp-Geräusche einstellen."
Wenn der Amp oft laut gespielt wird (egal ob in Proben, live oder zu Hause an einer Load-Box) würde ich auf Nummer sicher gehen und den Amps so betriebssicher wie möglich machen. Und hierzu gehört für mich dann auch, 56 Jahre alte Netzteilelkos zu tauschen.
Im vorliegenden Deluxe würde ich zum Tausch der Elkos raten. Warum?
Durch den Tausch der Röhrensockel und des Netztrafos befindet sich der Amp sowieso nicht mehr im Original-Zustand. Ein Tausch der Netzteil-Elkos mindert somit nicht den Sammlerwert und das Plus an Sicherheit würde mich ruhiger schlafen lassen.
Elektrischer Zustand V
Bias-Board & Virtual Center Tap
Es erschließt sich mir nicht so richtig, warum manche Dinge in der Vergangenheit bei diesem Amp gemacht wurden, andere wiederum nicht.
Die Netzteil-Elkos wurden bisher also nicht getauscht. Dafür der Kondensator der Bias-Schaltung. Das ist prinzipiell auch eine gute Idee, weil, wenn die Bias Schaltung nicht mehr funktioniert, ist das für den Amp ungefähr genauso gefährlich wie ein defekter Netzteil-Elko. Aber warum das eine und das andere nicht? Egal, wir müssen nicht alles verstehen.
Leider wurde an dieser Stelle nicht wie beim Netztrafo "pragmatisch" gearbeitet, sondern schlampig. Es wurde einfach der alte Kondensator herausgeknipst und dann an die Beinchen ein neuer radialer Kondensator rangelötet. Ein korrekter, axialer Typ war wohl gerade nicht zur Hand.
Dasselbe gilt auch für den Virtual Center Tap der Heizleitungen in unmittelbarer Nachbarschaft. Auch hier wieder: Gute Idee... schlecht gemacht!
Erstens mal würde ich schon aus optischen Gründen dieselben Kohlepresswiderstände wie im Rest des Amps verwenden. Zweitens finde ich ein freifliegendes Drahtkonstrukt, bei dem nicht mal die zu langen Beinchen der Widerstände gekürzt wurden, optisch einfach beschämend in so einem schönen Amp. Mensch Leute, gebt euch doch ein wenig mehr Mühe, wenn ihr an einem Stück Amp-Geschichte arbeitet.
Meine Empfehlung an den Besitzer wäre es, dieses optische Massaker zu korrigieren. Ehrlich gesagt werde ich es sowieso tun, zur Not gratis. Ich kann sowas einfach nicht sehen...
Elektrischer Zustand VI
Die eigentliche Verstärkerschaltung...
... ist auch bei unserem 67er Deluxe auf dem Fender-typischen Eyelettboard aus wachsgetränkter Hartpappe aufgebaut. Gott sei Dank haben wir es mit einem 60er Modell zu tun, bei dem mit dem Wachs noch maßvoll umgegangen wurde. Ab den 70er Silverface Modellen war hier oft soviel Wachs verwendet worden, dass dies mit dem Schmutz der Jahrzehnte oft eine klebrige Schicht auf der Oberfläche ergibt, die teilweise leitend ist. Dies führt zu den lustigsten Geräuschen und weggedrifteten Arbeitspunkten. Kann man auch wieder "fit" kriegen, ist aber ne Heidenarbeit und ne Riesen-Sauerei.
Hiermit werden wir uns also voraussichtlich nicht herumschlagen müssen. Wir werden beim Check der Schaltung aber trotzdem das Board an einigen kritischen Stellen auf Kriechströme überprüfen.
All Original:
Ansonsten gibt es zu berichten, dass die komplette Verstärkerschaltung quasi unberührt ist.
Wir freuen uns über den vollständigen Satz der legendären "Blue Molded" Kondensatoren, die einen nicht unerheblichen Anteil am Klang eines Vintage Fender Amps haben. Diese sind auch bekannt für ihre Langlebigkeit. Ein erster kurzer Check ergab, dass offensichtlich noch keiner der Blue Molded "leaky" geworden ist. Topp!
Kathoden-Kondensatoren:
Etwas verwundert waren wir über die Kathoden-Kondensatoren in der Schaltung. Hier hätten wir eigentlich auch die orangenen Pappröllchen von Astron erwartet, ähnlich den Netzteilkondensatoren von Mallory. Allerdings sehen die Lötstellen unberührt und original aus. Es scheint sich also nicht um spätere Replacements zu handeln, sondern ab Werk so verbaut worden zu sein.
Auch hier stellt sich dieselbe Gewissensfrage wie bei den Netzteil-Elkos: Tauschen oder nicht tauschen? Auch bei den Kathoden-Kondensatoren handelt es sich um Elektrolyt-Typen mit einer geplanten Lebensdauer von ca. zwanzig Jahren. Zugegebenermaßen sind diese weniger sicherheitskritisch als die Netzteil-Elkos oder der Bias-Kondensator. Ein schlechter Kathoden-Elko kann dafür sorgen, dass der Amp scheiße klingt... er kann ihn aber nicht töten.
Empfehlung:
Es sollte die Schaltung auf stark gedriftete Widerstandswerte und Funktion der Koppelkondensatoren gecheckt werden. Hier erwarten wir uns aber aufgrund der guten Performance des Amps keine übermäßigen "Baustellen". Falls die Netzteil-Elkos in dem Amp getauscht werden sollen, würde ich empfehlen die Kathoden-Elkos gleich mitzumachen. Dann hat man beim Thema Elkos "Ruhe" und muss sich für die nächsten zwanzig Jahre gedanklich damit nicht mehr beschäftigen.
Ebenso werden wir uns beim überprüfen der Schaltung dem Problem des "tickenden" bzw. "zwitschernden" Tremolos annehmen und dieses (hoffentlich) beheben.
Bliebe noch die Frage ob das etwas erhöhte und modulierte Rauschen des "Normal"-Channels gejagt werden soll?
Zwischenfazit
Wo stehen wir?
Bisher wurde an dem Amp noch nichts "gemacht". Der Lötkolben blieb bisher kalt.
Es ging darum einen 67er Fender Deluxe, der sich in einem hervorragenden Zustand befindet, zu checken und festzustellen welche Arbeiten eventuell notwendig wären, um diesen Amp auch für die nächsten zwanzig Jahre in diesem Zustand zu erhalten.
Hier unsere Liste möglicher Service-Arbeiten:
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Cosmetics: Verkleben des partiell abgelösten Tolex
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Überprüfung des Röhrensets auf eTracer Curve Tracer Messsystem
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Entfernung des "Death Cap" & Upgrade Netzverkabelung auf aktuelle Standards
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"Schöner Wohnen" bei der Verkabelung des getauschten Netztrafos
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Tausch der 56 Jahre alten Netzteil-Elkos gegen aktuelle F&T-Typen
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"Schöner Wohnen" bei der Bias-Schaltung & Virtual Center Tap der Heizleitungen
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Check aller Komponenten der Verstärkerschaltung & Beseitigung des "Tickens" im Tremolo
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Optional: Normal Channel im Rauschen reduzieren
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Reinigung aller Klinkenbuchsen & Potis
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Abschließender Check & Einstellen des Endstufen-Bias
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Überprüfung Speaker auf Rub & Buzz bzw. Lokalisation und Beheben mechanischer Geräusche
Als nächstes auf der Agenda steht eine Abstimmung mit dem Besitzer des Amps, welche Arbeiten angegangen werden sollen und welche nicht.
Ready, Steady, Go!
Wir haben "Grünes Licht"...
Nach Abstimmung mit dem Besitzer ist klar:
Wir werden den vollen Umfang der Arbeiten durchführen!
Wir freuen uns immer wieder, für Menschen arbeiten zu dürfen, die einen seltenen Vintage-Amp besitzen und sich der Verantwortung bewusst sind, diesen in einem optimalen Zustand zu erhalten. Dies geht über den reinen Klang des Amps hinaus und beinhaltet auch die Durchführung von notwendigen Modifikationen, Upgrades und Wartungsarbeiten in einer Weise, die sowohl optisch als auch elektrisch den Ansprüchen eines wertvollen Vintage-Amps gerecht wird. Es geht nicht darum, einfach ein paar Bauteile schnell rauszuknipsen oder wieder anzukleben.
Mario macht sich an die Arbeit:
Servicing - Part I
Die Netzverkabelung...
... eine Ecke der oft wenig Aufmerksamkeit geschenkt wird, weil es funktioniert ja... irgendwie.
Unser 67 Deluxe wurde in einer Zeit gebaut, wo die Sicherheitsrichtlinien noch nicht so ausgeprägt waren wie heutzutage.
Der zweipolige Netzanschluss aus den Sechzigern wurde erstmal auf ein gutgemeintes 115V Outlet verkabelt (hier sollten weitere Geräte angeschlossen werden). Der Netzleiter ging dann durch den Netzschalter, während der Neutralleiter mit der Netzsicherung verkabelt wurde. Dazwischen war dann noch der schaltbare "Death Cap" verkabelt, mit dem die kapazitive Gehäuse-Erdung zwischen Netz- und Neutralleiter hin- und hergeschaltet werden konnte. Dies funktioniert auch heute noch. Irgendwie... heutzutage haben wir aber dreipolige Netz-Anschlüsse mit einer separaten Erdung.
Die aktuellen Richtlinien verlangen hier folgendes:
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Die Erdung wird auf einem exklusiven Anschluss mit dem Chassis verbunden. Hier dürfen keine anderen Masse-Anschlüsse vorgenommen werden. Hierdurch wird auch der "Death Cap" überflüssig, der die Funktion hatte, dass Gehäuse "kapazitiv" anzukoppeln.
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Der Anschluss der Gehäuse-Erdung muss die größte Kabellänge haben. Falls also der Amp irgendwo runterfällt und das Netzkabel herausgerissen wird, muss sichergestellt sein, dass die Erdung als letztes getrennt wird. Ansonsten könnte (theoretisch) Netzspannung am Gehäuse anliegen, ohne dass eine Sicherung auslöst.
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Der Netzleiter muss als erstes durch die Netzsicherung gehen. Hierbei sollte bei Fender-Amps beachtet werden, dass der Netzleiter auf den "hinteren" Anschluss des verwendeten Sicherungshalters verkabelt wird. Hierdurch ist sichergestellt, dass man beim Herausziehen einer defekten Sicherung nicht aus Versehen die Seite berührt, an der die Netzspannung anliegt. Mit modernen Sicherungshaltern muss man sich meist darüber keinen "Kopf" mehr machen, aber so war es halt damals.
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Anschließend darf der Netzleiter durch den Power-Switch gehen, der den gesamten Amp mit Strom versorgt. Ihr seht schon, alles etwas theoretisch, da man speziell in Europa den Netzstecker entweder bei 0° oder bei 180° einstecken kann. D. h auf Netzsicherung und Power-Switch kann entweder der Netzleiter oder der Neutralleiter angeschlossen sein. Das macht ehrlich gesagt keinen Unterschied und ich hab mir die Vorschriften auch nicht ausgedacht. Das waren irgendwelche schlauen Leute in Normierungsbehörden, die seit zehn Jahren nicht mehr selbst einen Netzstecker eingesteckt haben... ;-)
Spaß beiseite, am Ende des Tages ist es einfach ein Hygienefaktor bei einem Ampservice die Netzverkabelung auf den aktuellen Standard zu bringen. Das lässt uns ruhig schlafen und auch die schlauen Leute, die sich die Sicherheitsvorschriften ausdenken.
Als Erstes entfernen wir also mal die komplette Netzverkabelung und reinigen alle Lötösen, um eine gute Ausgangsbasis für die Neuverkabelung zu haben.
An der Netzzuführung können wir den Schutzmantel noch so weit abisolieren, dass wir genug Kabellänge der Netzleiter erhalten. Seid hierbei bitte sehr vorsichtig. Die PVC-Ummantelung moderner Netzkabel schneidet sich wie "Butter" und man hat schneller als man denkt nicht nur die Ummantelung durchschnitten, sondern auch die Isolierung der Innenleiter. Hier also: Wenig Kraft... Stück für Stück vorarbeiten. Wie beim Filetieren eines Fisches.
Als erstes schaffen wir uns dann mal einen "freien" Massepunkt für die Erdung, indem wir den bisher dort angelöteten Center-Tap der HT-Spannung entfernen (der kommt später an einen anderen Massepunkt) und verlegen die Erdung in einer Schleife dorthin. Ansonsten führen wir die Verkabelung anschließend so durch, wie oben beschrieben. Hier gibt es wirklich nichts Spektakuläres zu berichten.
Oh halt, doch... eine Sache vielleicht:
Natürlich kann man den Neutralleiter der Netzverkabelung auch mit der Primärwicklung des Netztrafos verbinden, indem man ihn verzwirbelt und mit Schrumpfschlauch versieht. Eine elegantere Lösung ist jedoch eine Lötöse des frei gewordenen "Ground-Switch" als "Terminal" zu verwenden. Da dieser nach Entfernen des "Death-Cap" eh keine Funktion mehr hat, kann man ihn guten Gewissens als Lötstützpunkt verwenden. Nur so als Tipp...
Servicing - Part II
Verkabelung des Netztrafos
Ok, zugegeben... dieses Thema ist wirklich "unsexy".
Man kann einen neuen Netztrafo auf 2 Arten verkabeln:
-
Die "Pragmatische": Man lötet alle Kabel korrekt an und verbindet diese anschließend mit Kabelbindern zu einem Kabelbaum, der das Chaos etwas beschönigt.
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Die "Schöne": Zusammengehörige Leitungen werden verdrillt und auf dem kürzesten Weg zu den Anschlüssen geführt. Theoretisch sorgt das Verdrillen für ein etwas geringeres Streufeld der AC-Leitungen, ehrlich gesagt ist dies an dieser Stelle aber nicht wirklich kriegsentscheidend. Der deutlich größere Benefit ist eine aufgeräumtere Verkabelung, die eine klare Zuordnung erlaubt und zukünftige Services erleichtert. Und es sieht auch einfach schöner aus!
An dieser Stelle freuen wir uns mal über ein vorher-/nacher-Bild.
Es wurden zwar keine "Wunder" vollbracht aber wir erhalten doch eine Verkabelung die sehr viel strukturierter und leichter zu lesen ist. Ganz nebenbei haben wir ca. 30 cm an überflüssigem Kabel herausgeknipst. Ihr wisst ja: Alle Leitungen immer so kurz wie möglich halten!
Servicing - Part III
Das Bias-Board.
Jaja, das klingt auch nicht wirklich aufregender, als die Verkabelung des Netztrafos aufzuräumen. Ist es aber. Ein wenig zumindest...
Diese kleine, unscheinbare Platine in der linken, oberen Ecke alter Fender Amps sorgt dafür, dass die Endstufenröhren im richtigen Arbeitspunkt laufen bzw. darauf eingestellt werden können.
Wie funktioniert das mit der Einstellung des Arbeitspunktes?
Aaaalso, ganz grob gesagt muss bei einer Verstärkerröhre das Steuergitter negativ sein gegenüber der Kathode. Sonst macht die Röhre nix. Speziell in einer Endstufe gibt es hier zwei gängige Methoden, dies zu erreichen:
1. Cathode Bias
Hierbei wird an der Kathode ein Widerstand und ein parallel geschalteter Kondensator eingefügt. Dies bildet zusammen mit der Röhre quasi einen Spannungsteiler. D. h. an der Kathode liegen nicht 0 V an, sondern ein positives Gleichspannungspotential, welches abhängig ist vom Ruhestrom der Röhre und dem Wert des Widerstandes. Ziel erreicht: Die Kathode ist positiv, das Steuergitter liegt dagegen bei 0 V und ist somit negativer als die Kathode.
2. Fixed Bias
Hierbei liegt die Kathode der Röhre hart auf Masse. Somit muss das Steuergitter negativ werden. Hierzu gibt es in entsprechenden Amps eine Bias-Schaltung, die sich entweder aus der Hochspannungswicklung des Netztrafos oder einer eigens dafür vorgesehen Wicklung, eine negative Spannung erzeugt. Die notwendigen Bauteile hierfür befinden sich in unserem Deluxe auf dem Bias-Board. Diese Spannung wird als Bezugspotential für die Steuergitter der Endstufenröhren anstatt Masse verwendet. Et voilà, auch in diesem Fall ist das Steuergitter wieder negativer als die Kathode.
Hier zur allgemeinen Belustigung noch die Testfrage für alle angehenden Amptechniker:
Frage: "Was ist der Unterschied zwischen Cathode Bias und Fixed Bias?"
Antwort: "Cathode Bias ist fix. Fixed Bias ist hingegen meist einstellbar!"
Nachdem nun alle komplett verwirrt sind, zurück zum Ernst des Lebens.
Was passiert, wenn hier ein Probem exisitiert?
Das Bias-Board in unserem Deluxe hat also die Funktion aus einer speziellen Trafo-Wicklung eine negative Spannung zu erzeugen, die die Endstufenröhren dazu veranlasst, sich wohlzufühlen.
Was passiert wenn ein Defekt in der Bias-Schaltung auftritt?
Nun, in den allermeisten Fällen führt dies dazu, dass keine negative Spannung mehr erzeugt wird und die Endstufenröhren mit 0 V Bias voll "durchschalten". D. h. es fließt der maximale Strom, die Anodenbleche fangen an zu glühen. Die Endstufenröhren fühlen sich also nicht mehr wohl, sondern begeben sich in den "Suizid-Modus". Das wollen wir natürlich nicht.
Vermutlich aus genau diesem Grund wurde bereits in der Vergangenheit der Elko in der Bias-Schaltung getauscht. Gute Idee. Verwendet wurde hier anstatt des originalen 25 uF Kondensators eine 47 uF Type. Auch das ist ne gute Idee, weil es die Bias-Spannung etwas mehr glättet. Höher würden wir aber nicht gehen, weil ansonsten die Einstellung der Bias-Spannung zu träge wird.
Keine so gute Idee, sondern eher Faulheit war die Tatsache, dass der alte Kondensator einfach herausgeknipst wurde und an die Beinchen ein neuer angelötet wurde. Jaja, rein technisch funktioniert das... und wir wissen auch warum das gemacht wurde. In alten Fender-Amps wurden die Anschlussdrähte von Bauteilen oft durch die Eyelets gesteckt, umgebogen und direkt als Verbindung zum nächsten Eyelet genutzt. Man kriegt also manche Bauteile gar nicht so ohne weiteres heraus. Der "Shortcut" ist bei vielen Technikern also, das alte Bauteil an den Beinchen abzuknipsen und dort das neue Bauteil anzulöten.
Schön ist das nicht, und eigentlich ist Lötzinn auch dafür entworfen elektrische Verbindungen herzustellen und nicht um zusätzlich mechanische Verbindungen herzustellen.
Let's do it right:
Möchte man es "richtig" machen bleibt einem nichts anderes übrig, als das komplette Bias-Board auszubauen. Das zu tauschende Bauteil wird nun entfernt und die entsprechenden Eyelets von altem Lötzinn und Flussmittel befreit. Falls Beinchen des alten Bauteils als Verbindung zu anderen Eyelets genutzt wurden, dürfen diese gerne verbleiben, allerdings sollten die Enden um den Rand des Eyelets gebogen werden um diese mechanisch zu sichern. Anschließend kommen die neuen Bauteile rein, auch hier werden die Enden der Anschlussdrähte zur mechanischen Sicherung um das Eyelet gebogen und dann wird mit frischen Lötzinn neu verlötet.
Wir entscheiden uns auch für einen 47 uF Filterkondensator, allerdings mit einer Spannungsfestigkeit von 100 V und eine hochwertige, axiale Type von Vishay. In dieser Konfiguration sollte der Elko ein entspanntes Leben haben. Der originale 470 Ohm Dropping-Widerstand war noch völlig ok und verbleib in der Schaltung. Ebenso die originale Gleichrichterdiode.
Bei letzterer haben wir kurz "gezuckt". Ja, dies ist ein absolut sicherheitskritisches Bauteil. Diode kaputt = kein Bias = schlimme Dinge passieren. ABER: Erstens sind die Dioden in Fender-Amps nicht dafür bekannt, defekt zu gehen und zweitens sind Dioden (im Gegensatz zu Elkos) keine Bauteile, die für eine "endliche" Lebensdauer designt sind. Klar, man kann sich, wie bei allen anderen Bauteilen in dem Amp, die Frage stellen, ob diese kaputt gehen könnte. Dann müsste man aber eigentlich fast alles in einem alten Amp tauschen.
Der ganz große Unterschied zwischen Elkos und anderen Bauteilen ist folgender:
Bei Elkos stellt sich nicht die Frage ob diese kaputt gehen können. Es stellt sich eigentlich nur die Frage "wann" diese kaputt gehen. Dies ist bei anderen Bauteilen nicht so, da sie kein "Mindesthaltbarkeitsdatum" haben. Ihr wisst schon... Joghurt und so... siehe oben...
So ganz im "Vorbeigehen" haben wir dann übrigens auch noch die beiden freifliegenden Virtual-Center-Tap Widerstände der Heizspannung in dieser Ecke gegen historisch korrekte Kohlepress-Typen ersetzt und diese "ordentlich" installiert.
Servicing - Part IV
Netzteil Elkos.
Auch mit den originalen Netzteil-Elkos hat der Amp noch gut performt. Deshalb haben wir zwar die Empfehlung ausgesprochen, diese zu tauschen, haben aber die letztendliche Entscheidung darüber dem Besitzer des Amps überlassen.
Dieser hat sich für den Tausch der Netzteil-Elkos entschieden. Und dies war eine sehr gute und weitsichtige Entscheidung, wie wir später noch sehen werden.
Also, "Filter-Cap Service"... wie machen wir den? Wie immer gibt es auch hier verschiedene Möglichkeiten in verschiedener Qualität.
1. "Clip & Glue" Methode
So ähnlich, wie wir das bereits beim Elko des Bias-Boards gesehen haben, machen das auch manche Techniker bei den Netzteil-Elkos. Alte Elkos herausknipsen, neue Elkos an die bestehenden Anschlussdrähte anlöten (= "ankleben"). Done! Ok, so kann man einen "Cap-Job" in 15min. durchführen. Die Entschuldigung, so zu arbeiten, ist meist: "Wir möchten dem Kunden Kosten sparen. So geht das am schnellsten und am günstigsten." Jap, richtig... so geht es am schnellsten. Mal ganz davon abgesehen, dass man in einem der neuralgischen Bereiche eines Amps "Pfusch" betrieben hat. Wie schon gesagt, Löten soll eine elektrische Verbindung herstellen... keine mechanische.
2. "J-Hooking"
Hierbei werden zwar auch einfach die alten Filter-Caps heraus geknipst, allerdings werden die Anschlussdrähte so lang belassen, dass anschließend eine Schlaufe (= ein "J") hineingebogen werden kann. Dies erfolgt ebenso bei den neuen Kondensatoren, und die beiden Schlaufen werden miteinander verhakt und anschließend verlötet. Rein mechanisch und elektrisch ist an dieser Lösung wenig auszusetzen, allerdings ist sie nicht wirklich "schön" und sieht etwas "gebastelt" aus.
3. "Factory Specs"
Ähnlich wie beim Bias-Board schlagen wir uns hier mit allen Gegebenheiten herum, wie z.B. dass Anschlussdrähte der Kondensatoren als Weiterleitungen zu anderen Anschlusspunkten verwendet werden. Das Filter-Board muss komplett herausgenommen werden, etc.
Dies ist aber die einzige Möglichkeit einen elektrischen, mechanischen und optischen Standard wie "ab Werk" herzustellen, und diese Methode verwenden wir bei unserem 67er Deluxe.
Das Vorgehen ist folgendes:
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Filter Platine komplett ausbauen
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Alte Elkos entfernen. Falls Anschlussdrähte als Weiterleitung verwendet wurden, diese belassen.
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Alle Eyelets von altem Lötzinn und Flussmittel reinigen
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Bestehende Weiterleitungsdrähte um die Eyelets biegen zur mechanischen Sicherung.
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Neue Kondensatoren einsetzen. Ebenfalls die Anschlüsse um die Eyelets biegen zur mechanischen Sicherung
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Re-Installation des Filter Boards. Anbringen aller Leitungen und anschließendes Verlöten der Eyelets.
In diesem Szenario ist der komplette Aufbau eigentlich schon vor dem Löten stabil und funktionsfähig. Das Verlöten dient lediglich einem sicheren elektrischen Kontakt. Dies entspricht genau dem Aufbau, wie er ab Werk vorgenommen wurde, zusätzlich sichern wir die neuen Filterelkos aber mechanisch mit etwas Silikon.
Natürlich dauert diese Methode unterm Strich deutlich länger als "Clip & Glue" und ist damit für den Kunden teurer. Allerdings erhält man hiermit einen elektrischen und mechanischen Aufbau, als ob "ab Werk" die neuen 15 uF Filterelkos von F&T installiert gewesen wären. Das sollte uns ein Vintage-Amp einfach wert sein.
Noch ein paar Worte zu den getauschten Bauteilen:
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Wir haben die originalen Elkos nach dem Aufbau vermessen, und speziell beim ersten Filterelko (der die höchste Spannung abbekommt) war nur noch die halbe Kapazität und ein sehr hoher ESR-Wert feststellbar. Auch wenn die Netzteil-Filterung insgesamt noch nen guten Job gemacht hat, war dieser Elko definitiv bereits auf dem Weg zu "sterben". Von daher war die Entscheidung des Besitzers zum "Cap-Service" goldrichtig.
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Getauscht wurden die Elkos gegen Typen von F&T, Made in Germany. Dies ist mit das Beste, was man aktuell bekommen kann, und auch das Upgrade der Spannungsfestigkeit von 450 V auf 500 V wird der Langlebigkeit der neuen Elkos zugute kommen.
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Die 10k und 27k Dropping-Widerstände waren noch absolut ok und wurden in der Schaltung belassen.
Servicing - Part V
Kathoden-Elkos, Inputs, Koppelkondensatoren & Tremolo.
So, nach dem das Netzteil und das Bias-Board wieder in Topform sind, widmen wir uns dem Preamp. Hier gibt es eigentlich nur wenige Klagen. Außer der Tatsache, dass das Tremolo ein unüberhörbares "Ticken" erzeugt. Das werden wir beheben.
Und wir bemerken, das der "Normal" Channel etwas mehr rauscht, als der "Vibrato-Channel". Schauen wir uns auch an.
Außerdem haben wir mit unserem Kunden einen "Cap-Service" der Kathodenelkos der Vorstufe vereinbahrt. Genau wie bei den Elektrolytkondensatoren im Netzteil haben diese nur eine begrenzte Lebensdauer. Auch wenn diese weit weniger beansprucht werden wie die Netzteil-Elkos, empfiehlt sich hier nach 66 Jahren ein Austausch um den Amp wieder Fit für die Zukunft zu machen. Wir erinnern uns: Elko's sind für eine Lebensdauer von ca. 20 Jahren designed.
Vorher schauen wir uns aber noch die Koppelkondensatoren und Input-Buchsen genauer an...
Input Buchsen:
Wie in quasi jedem Amp stellen "unbenutzte" Input-Buchsen eine Verbindung nach Masse her, die sicherstellt dass dieser Eingang stillgelegt ist und nicht als Antenne für Störungen fungiert.
Im Laufe der Zeit bildet sich meist auf den "Schließkontakten" der Input-Buchsen ein Oxid-Film, der dafür sorgt, dass diese keinen Soliden Masse-Kontakt mehr haben falls sie nicht benutzt werden.
Dies war in unserem Fender Deluxe zwar noch kein Problem, dennoch haben wir aber alle Schaltkontakte der Eingangsbuchsen gereinigt. Hierfür empfiehlt sich DeoxIt D5 oder F5 in Kombination mit einem darin getränkten, rauhen Stück Karton. Hiermit reibt man alle Schaltkontakte sorgfältig ab um Oxidschichten zu entfernen, ohne die Oberfläche der Metalle zu beschädigen. Die Verwendung eines Schmirgelpapiers würde zwar kurzfristig optimal funktionieren, führt aber langfristig zu zusätzlichen Problemen, da das Schmirgelpapier die Oberfläche der Kontakte beschädigt und damit zukünftiger Korrosion Tür- und Tor öffnet.
Koppelkondensatoren:
Wie schon bereits durch unsere ersten Messungen vermutet, erhärtet sich der Zustand der "Blue Molded" Kondensatoren auch bei genaueren Betrachtung als "Gut". Keiner der schönen Kondensatoren ist im Laufe der Zeit "Leaky" geworden und lässt Gleichspannung durch. Das ist "Hervorragend". Die "Blue Molded" Kondensatoren alter Fender Amps sind nicht nur qualitativ sehr hochwertig, sondern haben auch einen großen Anteil am Sound dieser Amps. Auch wenn es heutzutage Ersatztypen gibt die klanglich recht nach rankommen, ist es dennoch immer wieder eine Freude wenn ein alter Amp mit seinen originalen Bauteilen "weiterleben" kann.
Kathoden-Elko's:
Hier gibt es nichts spektakuläres zu berichten, außer dass wir ein wenig überrascht waren keine orangenen Pappröllchen von Astron vorzufinden, sondern vergossene, schwarze Typen eines uns unbekannten Herstellers (eine Vermutung wäre Cornell Dubilier). Wie auch immer, für Beide gibt es aktuell keine wirklich mechanisch passenden Ersatztypen in Form von 25uF/25V Doppel-Elko's.
Dies ist aber nicht weiter tragisch, da man sich aus 2 einzelnen 25uF/25V Elko's schnell einen Dual-Elko gemacht hat. Das ist gängige Praxis. Bei Fender Amps verwenden wir hierfür sehr gerne die Bipolaren Typen von Tube Amp Doctor, da diese mit ihrer glatten Folie sehr schöne Obertöne und Räumlichkeit unterstützen.
Und ach ja... wenn wir schon die Kathoden-Elkos rauslöten messen wir doch auch gleich nach ob die Kathoden-Widerstände noch innerhalb ihrer Spezifikation sind, oder ach getauscht werden sollten. In diesem Fall: Alle Kathoden-Widerstände sind noch Tiptop!
Normal-Channel beruhigen:
Wenn wir uns gerade schon in der Vorstufe rumtreiben, dann jagen wir auch gleich dieses Problem. Wie bereits geschrieben war das Rauschen nicht übermäßig hoch, aber im Vergleich zum Vibrato-Channel fällt doch auf, dass das Rauschen im Normal Channel deutlich "schmutziger" ist und mehr nach Klospülung klingt. Sorry für den Vergleich, is aber so. Normales, thermisches Rauschen = Sanft aufgedrehter Wasserhahn. Schmutziges Rauschen = Klospülung.
Nachdem wir die entsprechende Vorstufenröhre testweise getauscht (und als Ursache ausgeschlossen haben), schauen wir uns die Anodenwiderstände etwas genauer an. Diese waren eigentlich von Anfang an uns "Hauptverdächtiger".
Und tatsächlich, verschwindet die "Klospülung" nachdem wir die 100k Anodenwiderstände des Normal-Channels sowie den 100k Widerstand im Klangregelnetzwerk getauscht haben. Alle diese 3 Widerstände liegen direkt an der Hochspannung, und die alten Kohlepresstypen sind dafür bekannt hier im Laufe der Zeit "Noisy" zu werden. Warum dies nur im Normal-Channel der Fall war bleibt ungeklärt, eine Erklärung könnte aber sein, dass der Amp in der Vergangenheit hauptsächlich über diesen Kanal gespielt wurde. Wie auch immer. Neue Widerstände (natürlich historisch korrekte Kohlepresstypen), und das Rauschen ist ein reines, einlullendes, thermisches Rauschen welches man auch sehr gut zum einschlafen verwenden kann. Einfach den Deluxe neben das Bett stellen und das Volume hochdrehen, sehr beruhigend!
Das tickende Tremolo:
Ok... Fender bezeichnet das Tremolo fälschlicherweise als "Vibrato", während sie das Vibrato auf ihren Gitarren "Tremolo" nennen. Umgekehrt wäre es richtig. Aber hey: Wer blickt da schon durch bei diesen alten europäischen Bezeichnungen für Lautstärkemodulation und Frequenzmodulation? Fender tat es jedenfalls nicht.
Wie auch immer, wir haben in dem Deluxe also ein Vibrato (welches eigentlich ein Tremolo ist), und es macht Geräusche. Es "Tickt". Selbst wenn "Intensity" auf 0 ist. Dies ist ein bekanntes Phänomen alter Fender Amps. So bekannt, dass Fender hierzu ein eigenes Service Bulletin veröffentlicht hat.
Woher kommt das Ticken?
Nun, in dem gängigen Fender Tremolo-Circuit mit einer kleinen Neon-Lampe und einem LDR (= Light Dependent Resistor) wird die Neon-Lampe mit einem recht steilflankigen Signal beaufschlagt um diese pulsieren zu lassen. Soweit nicht schlimm. Verdrillt man diese Leitungen nun aber eng und ordentlich mit Signalleitungen, dann kann es passieren, dass diese steilflankigen Signale in die Audio-Leitungen einstreuen.
Fender schlägt als "Fix" vor die Leitungen zu entdrillen und anders zu verlegen, und/oder einen 10nF Kondensator in die Ansteuerung der Neon-Lampe zu integrieren um die steilen Flanken zu glätten. Erfahrungsgemäß darf dieser Kondensator auch etwas größer sein.
Bevor wir also die schöne, originale, Verkabelung unseres Deluxe zerstören, probieren wir als Erstes den Kondensator-Trick. Und: Bingo! Mit einem 22nF Kondensator konnten wir dass "Ticken" komplett beheben. Also nicht nur "verbessern", sondern es ist komplett verschwunden mit diesem Eingriff. Das ist sehr gut, da wir dadurch nicht die originale Verkabelung zerpflücken müssen.
Check aller Bauteile:
Die Kathoden-Elkos sind erneuert. Die Kathoden Widerstände sind noch gut. Rauschende Anoden-Widerstände haben wir erneuert. Das Tremolo "Tickt" nicht mehr. Koppelkondensatoren sind auf "Leakage" gecheckt. Bleibt ein abschließender Check aller verbleibender Bauteile. Diese sind noch absolut ok und können im Amp bleiben.
Happy Days!
To be continued
Stay tuned
More to come...